Samuel Cloud war auf dem Pfad der Tränen 9 Jahre alt.
Seine Geschichte wurde von seinem Ur-Urenkel Michael Rudledge in
"Forgiveness in the Age of Forgetfulnee" niedergeschrieben.
Michael, ein Bürger der Cherokee Nation in Oklahoma, ist Jurastudent an der Arizona State University.


Es ist Frühling.
Die Blätter sind an den Bäumen. Ich spiele mit meinen Freunden, als weiße Männer in Uniformen zu unserem Haus hinaufreiten. Meine Mutter ruft mich. Am Klang ihrer Stimme kann ich hören, dass etwas nicht in Ordnung ist. Einige der Männer reiten weg. Meine Mutter sagt mir, ich soll meine Sachen packen, aber die Männer geben uns keine Zeit dazu. Sie dringen in unser Haus ein und zerschlagen die Töpferwaren, schauen überall hinein. Meine Mutter und ich werden von einigen Männern zu deren Pferden geführt und dort mit Waffen bewacht. Die Männer, die fortgeritten waren, kehren mit meinem Vater Elijah zurück. Sie haben ihm sein Gewehr abgenommen und er kommt auf uns zu.
Ich kann seinen Ärger und seine Frustration spüren. Es gibt nichts, was er tun kann. Ich fühle die Angst meiner Mutter. Ich habe auch Angst. Was geht da vor? Ich habe nur gespielt und nun sind meine Familie und meine Freunde hier zusammen und werden mit Waffengewalt fortgetrieben.
Wir gehen Wege entlang. Meine Mutter lässt mich nicht weit von ihr weg. Mein Vater geht mit den anderen Männern, sie sprechen leise und verärgert. Die Soldaten sehen müde aus, als ob sie lieber woanders wären als hier.
Sie führen uns zu einer Koppel und treiben uns hinein, als wären wir Vieh. Niemand hatte Zeit, Besitztümer mitzunehmen. Die Nächte sind kalt in den Bergen und wir haben nicht genug Decken. Meine Mutter hält mich nachts, um mich zu wärmen. Das ist die einzige Zeit, in der ich mich sicher fühle. Ich fühle, wie sie mich fest an sich drückt. Ich fühle ihren warmen Atem in meinem Haar. Ich fühle ihre Sanftheit, wenn ich des Nachts einschlafe.
Im Laufe der Tage werden mehr und mehr Leute in die Umzäunung getrieben. Ich sehe andere Mitgleider meines Stammes. Wir Kinder versuchen zu spielen, aber die Erwachsenen um uns sind besorgt und wir wissen nicht, was wir denken sollen. Oft sitze ich da und betrachte die Anderen um mich herum. Ich beobachte die Wachen. Ich versuche, nicht an meinen Hunger zu denken. Ich friere.
Einige Monate sind vorübergegangen und wir sind noch immer in der Einfriedung. Mein Vater sieht müde aus. Er redet mit den anderen Männern, aber niemand scheint zu wissen, was zu tun ist oder was passieren wird. Wir hörten, das Weiße in unsere Häuser gezogen sind und unsere Felder bestellen. Was wird mit uns geschehen? Westwärts ziehen zu den Western Cherokee? Ich will diese Berge nicht verlassen.
Meine Mutter, meine Tanten und Onkel nehmen mich eines Tages zur Seite. "Dein Vater ist letzte Nacht gestorben" erzählen sie. Meine Mutter und die Mitglieder aus Vaters Clan weinen, aber ich verstehe nicht, was das bedeutet. Ich habe ihn gestern gesehen. Er war krank, aber lebendig. Das scheint nicht wirklich zu sein. Nichts scheint wirklich zu sein. Ich weiß nicht, was das alles bedeutet. Es kommt mir vor wie gestern, als ich mit meinen Freunden gespielt habe.
Nun ist es Herbst. Es scheint eine Ewigkeit her zu sein, daß ich sauber war. Die Koppel besteht nur noch aus Schlamm. Morgens ist er gefroren. Nachmittags ist er aufgetaut und wir alle sind davon überzogen. Plötzlich sagen uns die Soldaten, wir hätten ihnen zu folgen. Wir werden aus der Koppel getrieben. Alle Wachen haben Gewehre und beobachten uns genau. Wir gehen. Meine Mutter hält mich in ihrer Nähe. Gelegentlich darf ich auch mit meinem Onkel oder einer Tante gehen.
Wir wandern über die gefrorene Erde. Nichts scheint mehr richtig zu sein. Die Kälte dringt durch meine Kleider. Ich wünschte, ich hätte meine Decke. Ich erinnere mich an meine Decke im letzen Winter, die mich wärmte. Ich glaube, niemals wieder warm zu werden. Ich erinnere mich an der Lächeln meines Vaters. Es scheint so lange her zu sein.
Wir wanderen viele Tage. Ich weiß nicht, wie lange es her ist, daß wir unser Zuhause verlassen haben, aber die Berge liegen nun hinter uns. Wir gehen jeden Tag ein wenig später los. Die Toten werden in flachen Gräbern beerdigt, weil der Boden gefroren ist. Wenn wir Orte von Weißen durchqueren, kommen sie heraus, um uns vorbeiziehen zu sehen. Wir sprechen nicht mit ihnen. Sie sprechen nicht mit uns. Ich wünschte, sie würden aufhören zu schauen. Ich wünschte, sie würden in ihr Verderben gehen und ich würde zusehen. Wegen ihnen müssen wir gehen. Ich weiß nicht warum, aber das weiß ich. Wegen ihnen mußten wir unser Zuhause verlassen. Sie zwingen uns zu gehen und Kurs zu nehmen auf diesen neuen Ort, mitten im Winter. Ich mag diese Leute nicht. Immer noch starren sie mich an, als ich vorbeigehe.
Wir kommen zu einem großen Fluß, größer als alle, die ich ja gesehen hab. Eisschollen schwimmen auf ihm. Die Soldaten sind nicht glücklich. Wir bauen ein Lager und warten. Wir alle frieren, der Schnee und das Eis scheinen uns zu jagen, fordert einen nach dem anderen von unseren Leuten. Norden steht für Trübsinn, Niederlage und Schwierigkeiten. Von dort weht ein frostiger Wind auf uns, die am eisigen Fluß warten. Wie warten darauf zu sterben.
Meine Mutter hustet nun. Sie sieht erschöpft aus. Ihre Hände und ihr Kopf sind glühend heiß. Meine Tanten und Onkel versuchen sich um mich zu kümmern, so daß sie sich erholen kann. Ich möchte sie nicht alleine lassen. Ich möchte nur bei ihr sitzen. Ich will, daß sie mein Haar streichelt, so wie sie es immer getan hat. Meine Tanten holen mich zum schlafen zu sich, aber nachts krieche ich an ihre Seite. Sie hustet und es schüttelt ihren ganzen Körper. Wenn sie mich neben sich fühlt, läßt sie mich mir unter ihre Decke. Ich schmiege mich an ihren fieberden Körper. Ich werde durchhalten, weil ich weiß, sie ist da.
Als ich letzte Nacht schlafen ging, war meine Mutter sehr heiß und hustete mehr als gewöhnlich. Als ich aufwachte, war sie kalt. Ich versuchte sie zu wecken, aber sie lag einfach da. Das weiche und warme, was sie einst hatte war nicht mehr da. Ich hörte nicht auf sie zu berühren, als heiße Tränen über mein Gesicht liefen. Sie kann mich nicht verlassen. Sie würde mich nicht verlassem.
Ich höre mich ihren Namen rufen, zaghaft, dann lauter. Sie antwortet nicht. Meine Tante und mein Onkel kommen rüber zu mir, um zu sehen, was los ist. Mein Onkel zieht mich weg von ihr. Meine Tante beginnt zu klagen. Ich werde ihre Klagerufe nie vergessen. Ich habe es nicht verstanden, als mein Vater gestorben ist. Ich verstehe den Tod meiner Mutter nicht, aber plötzlich weiß ich, daß ich alleine bin. Mein Stamm wird sich um mich kümmern, aber mir wird für immer ihre Wärme verloren sein, ihre sanften Finger in meinem Haar. Ihr leiser Atem, wenn wir schliefen. Ich bin alleine. Ich möchte weinen. Ich möchte vor Wut schreien. Ich kann nichts tun.
Wir beerdigten sie in einem flachen Grab neben der Strasse. Ich werde niemals diesen einsamen Steinhügel vergessen, der nun ihre letzte Ruhestätte ist und der langsam meinem Blick entschwindet. Die Soldaten zwingen uns weiterzugehen. Mein Onkel redet mit mir, um mich zu trösten. Ich gehe in Einsamkeit.
Ich weiß was Hassen ist. Ich hasse diese weißen Soldaten, die uns aus unserem Zuhause vertrieben haben. Ich hasse die Soldaten, die uns zwingen, durch Eis und Schnee zu gehen zu unserem neuen Zuhause, das nie jemand von uns wollte. Ich hasse die Leute, die meinen Vater und meine Mutter umgebracht haben.
Ich hasse die weißen Leute, die die Straßen säumten in ihren Wollsachen, die sie warmhalten, während sie uns anstarren. Keiner von diesen weißen Leuten ist da, um zu sagen, daß es ihm leid tut, daß ich allein bin. Keiner sorgt sich um mich oder meine Leute. Alles was sie sehen ist die Farbe unserer Haut. Alles was ich sehe ist die Farbe ihrer und ich hasse sie.